KILL YOUR DARLINGS - FIND NEW ONES!

WARUM ICH ALS COACH ARBEITE?

Als ich 2017 in Wien begann, Schauspiel zu unterrichten, spürte ich sofort die große Leidenschaft, die ich immer noch für diesen Beruf empfand und empfinde. Und ich spürte, dass das ein „mehr“ war. Eine Art „dunkler Fleck“, etwas noch nicht fassbares, was ich während meiner Ausbildung nicht mitbekommen hatte. Meine langjährigen Erfahrungen mit Psychotherapeutischer Arbeit, aber auch die verschiedenen Körpertherapien, mit denen ich in Berührung kam, schienen dann über die Jahre dieses „Loch“ in wundersamer Weise zu füllen. Ich fand heraus, dass die oft sehr „äußerliche“ Arbeit des Schauspielers mehr von mir weg führte als zu mir hin. Etwas in mir blieb immer in Unfrieden. Ich erfuhr, dass die Bestätigung von Außen ein sehr launisches und flüchtiges Etwas ist, dem ich – linke Spur und Vollgas – viele Jahre hinterher jagte. 2018 endete diese Jagd vorerst in einer psychosomatischen Klinik im Schwarzwald- ein Paradies. Diagnose:

Burn Out.

Hier fasste ich den Entschluss, im Weiteren –in welcher Form auch immer– etwas von meinen Erfahrungen weiterzugeben, als Lehrer und als Coach. Seitdem mein Focus und meine Aufmerksamkeit mehr auf diesen „inneren“ Aspekt meines Lebens gerichtet sind, fällt mir (bei mir und anderen) ein weiterer, maßgeblicher „Antreiber“ ins Auge:

Perfektionismus

Die Arbeit als Schauspieler verlangt ein sehr hohes Maß an Disziplin. Der Perfektionismus hingegen ist – nach meinem heutigen Dafürhalten – eher ein Hemmschuh, ein Klotz am Bein. Das Streben nach „Perfektion“ mag gut ankommen – besonders beim Chef. Es stellt jedoch – nach meiner Sicht als Künstler – einen unerreichbaren „Idealzustand“ dar, der den Menschen sehr unter Druck setzen kann und womöglich wahre Kreativität unterbindet.

Habe keine angst vor der perfektion-du wirst sie ohnehin nie erreichen

salvador dalí

In meinem Beruf geht es oft ums „Loslassen“. Man hatte eine bestimmte Szene so und so eingeübt, geprobt – man hatte es sich dort schön gemütlich gemacht und dann wurde sie einfach geändert oder gestrichen. Dann musste man loslassen: „Kill your darlings“ nannten wir es auch. In den meisten Fällen war das, was dann entstand ein großer Gewinn, brachte uns dem Geheimnis des Stückes einen Schritt näher.

Loslassen

Auf der Bühne, aber auch vor der Kamera habe ich oft erlebt, dass der Wunsch und das Bedürfnis nach Kontrolle in eine künstlerische Sackgasse führt. Die Kontrolle behalten zu wollen scheint zu verkrampfen und eng zu machen. Dabei habe ich gelernt, dass die schönsten Momente auf der Bühne entstanden, wenn das Nicht-Vorhersehbare, das Unkontrollierbare geschah. Eine geplatzte Glühbirne im Scheinwerfer, ein Texthänger und ähnliches. Was geschieht? Dem Leben wird wieder Platz gemacht, Raum gegeben. Es geschieht von ganz alleine, wir können es wahrnehmen und zulassen. Das Theater ist live-also lebendig. Und wir können es auch wieder werden.

Lebendigkeit

Die Persona war im Theater der alten Griechen die Maske, welche die Schauspieler trugen. Sie bedeutete Verkleidung, Verstellung, Verfremdung. Ich betrachte unsere sogenannte „Persönlichkeit“, mit der wir uns heute identifizieren als nichts anderes: Ein Konstrukt, welches uns helfen soll im sozialen Miteinander zu überleben. Diese verschiedenen Masken sind mitunter sehr hilfreich im täglichen Dasein. Wir alle tragen sie. Ein immer wieder auftauchendes Problem in meiner Arbeit als Schauspieler war und ist die Frage: wie werde ich die Maske nach der Vorstellung (oder dem Drehtag) wieder los? Die Antwort war oft genug: gar nicht.

Sich bewusst zu machen, dass man eine „Persona“ ist -also eine Maske trägt- kann helfen zu erkennen, dass es möglicherweise erholsam und entspannend ist, zwischendurch kleine oder größere „Maskenpausen“ einzusetzen.

Wer werden will, was er sein sollte, der muss lassen, was er jetzt ist

Meister Eckart